Dienstag, 6. Oktober 2015

Feria de Otoño 2015

Nach 2 Jahren war ich wieder bei der Feria de Otoño. Was für eine Feria...!
Ich muß sagen, daß meine Erwartungshaltung eher mittelmäßig war. Ich freue mich immer, in Madrid zu sein - allerdings gab es bislang wenige Höhenflüge. Große Ausnahme: Juan Mora 2010 mit 3 Orejas.
Diesmal ging es mit einer miserablen Novillada von El Torreón los. Der Ganadero, kein Geringerer als César Rincón stand tapfer sein Desaster im Callejón durch. Also ganz schnell vergessen...
Am nächsten Tag dann das Mano a Mano von Diego Urdiales und López Simón: 
Nun, die Erwartungen waren gewaltig und es war wunderbar Las Ventas voll zu sehen mit einem Cartel ohne die 5 üblichen Verdächtigen.  Gran ovación con saludos für beide Matadores nach dem Paseíllo. Urdiales hatte nicht seinen Tag (ich habe ihn noch nie an "seinem Tag" erlebt). Ein sehr guter Aficionado sagte mir, daß für ihn die beste Faena des Jahres, die von Urdiales in Bilbao war. Ich muss sie mir nochmal anschauen.
López Simón ist Feuer und Flamme und war mit seinem ersten Stier sehr solide, ab der Cogida und Cornada überwogen die Emotionen und nach Pinchazo y Estocada gab es ein Ohr. Ich habe es auch verlangt, obwohl mir klar war, daß ein Pinchazo nach einer anständigen Faena das Ohr quasi annulliert. Mich hat es aber einfach mitgerissen, diesen neuen Matador, den "neuen Messias", wie manche schon schreiben (Paco Mora von Aplausos zum Beispiel) zu sehen. Er ging dann in die Enfermería, man konnte ein Loch im Traje unterhalb des Gesäßes erkennen, aber kein Blut. Allerdings ist López Simón diese Saison so oft verletzt worden und auch schwer, daß ein kräftiger Hornstoß ohne Blutung durchaus sehr schmerzhaft sein muß. Er blieb dann während Urdiales zweitem und dritten Stier in der Enfermería.  Man mag mich kleinlich nennen, aber was sich LS dann leistete ist mir sehr unangenehm aufgefallen:
Währen Uridales nach dem Tod des 4. Stiers die Ovation entgegen nahm, kehrte LS aus der Enfermería zurück - und zwar quer durch den Ruedo und nicht, wie es sich gehört durch den Callejón. Dabei hinkte er und verzog sein Gesicht. Ich sage es echt ungern, aber das Wort "theatralisch" stand schon im Raum. Außerdem ist es schon eine Respektlosigkeit, dem Kollegen den Applaus zu nehmen. Komischerweise gab es keinen Protest, sondern eine grandiose Ovation für LS. 
Seine Faena danach war wundervoll, der Stier schwierig und ohne Klasse. Es dauerte eine gute Weile bis LS mit ihm seinen Rhythmus und das Temple gefunden hatte. Was dann folgte, ist für mich einer DER Gründe Las Ventas so sehr zu lieben, wie keine andere Plaza. Ein, zwei mittelmäßige Derachazos, der Dritte perfekt, wie in Zeitlupe und die ganze Plaza donnert "Óóóleee". Und nochmal und nochmal. Aus dem Nichts. Wie der Donnerhall.
Die Muletazos waren sehr langsam und hatten eine ganz eigene Ästhetik, die mir an LS noch nicht aufgefallen war. Irgendwie erinnerten sie mich (ich kann es jetzt erst benennen) an Verónicas von Curro Romero. Ganz eigen, nicht perfekt, nicht technisch, komplett aber wie skizziert und angedeutet, aber mit einer großen Tiefe. Estocada y oreja de Ley. Die Erwartung vor dem 6. Stier war grenzenlos und wie der Stierkampf nun mal so ist: Brindis an einen Rockmusiker? (Muß ich noch nachschauen), Brindis ans Publikum. Beim zweiten Derechazo bricht sich der arme Stier den Vorderhuf. Ich hasse das! Kann nicht hinschauen, starre auf meine Schuhe, bis es vorbei ist: Pinchazo, Descabello. Kurz hoffte ich, daß LS den Sobrero verlangt. Dafür ist er aber dann auch schon Profi genug: Puerta Grande asegurada - warum noch ein Risiko eingehen...?

Der nächste Tag wäre eine der meist erwarteten Corridas der letzten Jahre geworden, wenn...wenn nicht LS ein Attest mit Diagnose 12 cm Hornverletzung vorgelegt hätte. Auch hier wieder: ich habe seinen Auftritt sehr genossen und hoffe, daß er unsere neue Figura wird. Ich sehne mich nach einem neuen Matador, der mir das geben kann, was nur Joselito und José Tomás mir geben konnten.
Aber nach der 3. Puerta Grande die zweite Corrida der Feria abzusagen, hinterlässt bei mir schon einen faden Beigeschmack. Das ist ungerecht, ich weiß... Das ist schon all zusehr seinem Idol JT nachgeeifert. Gleichzeitig kann ich verstehen, daß er kurz davor ist Rincóns Rekord von 4 aufeinanderfolgenden  Puertas Grandes zu brechen und kein unnötiges Risiko eingehen möchte.

Ersetzt wurde er durch Gonzalo Caballero, der so ganz überraschend zu seiner Alternativa kam. Höchsten Respekt dafür: Da klingelt am frühen Morgen das Telefon und der Empresario fragt, Dich ob du nicht in ca. 12 Stunden in Las Ventas Deine Alternativa nehmen möchtest. Puh, das müssen Nerven sein!
Die Corrida war sehr interessant, Eugenio de Mora und Gonzalo Caballero hätten in einer Plaza zweiter Kategorie zusammen 3 Ohren bekommen. Hier gab es ein paar Ovationen. Das ist Madrid.

Der Sonntag, 4.10. war wohl mein bisher perfektester Stierkampftag! Und das bei ca. 250 Corridas, die ich gesehen habe...
Ein regnerischer, grauer Morgen. Schnell in´s Museo de Jamón auf ein Frühstück und ab mit der Metro nach Las Ventas (Sol, Sevilla, Banco de España, Retiro, Príncipe de Vergara, Goya, Manuel Becerra, Ventas). Einritt für die Novillada kostet 6 Euro. Die Sonne kommt raus. Vor dem Paseíllo protestieren ca. 100 Schüler der Stierkampfschule "Marcial Lalanda" dagegen, daß die neue progressive, liberale und weltoffene Regierung der Comunidad, die 60.000€ für sie streicht, was einer Schließung gleichkommt. Mir laufen die Tränen runter, als ich diese Kinder und Jugendlichen mit ihren Transparenten sehe. Willkommen mit Totalitarismus! Mir gefällt Deine Kunst nicht, also mache ich sie kaputt. Lächelnd und tolerant und weltoffen und korrekt...
Passend dazu, die Banner, die das Tendido 7 am Vortag hochhielt: "Antitaurinismo=Totalitarismo". Ich möchte es ergänzen um: Prohibido prohibir, Prohibido odiar.
Diese vermeintlichen Gutmenschen sind so voller Haß und Verachtung gegenüber den Andersdenkenden. Es wird mir übel. Die Nazis werden nicht noch einmal so dumm sein, auffällige Uniformen und Symbole zu tragen. Sie kommen im lässigen veganen Gewand und voller geheuchelter Toleranz dem gegenüber, was sie für würdig erachten. Der Rest kann verrecken. Viele "Antis" verlangen ja sogar die Schließung von Museos Taurinos! Kulturrevolution, löscht es aus dem Gedächtnis, verbrennt die Plakate, verbietet Pasodobles. Steckt Aficionados zur Umerziehung in ein Lager... Als sie das Rauchen verbieten wollten, habe ich nichts gesagt, denn ich war ja kein Raucher. Als sie den Stierkampf verbieten wollten, sagte ich auch nichts, denn ich bin ja kein Anhänger davon. Als sie... usw.

Nach diesem kleinen, bitteren Intermezzo:
Eine wundervolle Novillada. Ich liebe diese Novilladas Matinales! Im Publikum nur Freunde und Familie und richtige Aficionados, die am Sonntag Mittag in der Plaza sitzen. Diesmal mit ca. 1/5 sehr gut besucht. 2 Alumnos der Escuela de Madrid. Und die Maestros keine geringeren als José Luís Bote und...Joselito. Keine 2 Meter von mir entfernt im Callejón, coachte er seine zwei Toreros.
Ein Traum! Der große Triunfador: Carlos Ochoa. Wunderbar mit seinem Ersten, katastrophal mit dem Degen. Mit seinem Zweiten dauerte es auch eine Weile, bis er ihn verstand, doch dann folgten einige phantastischer Serien mit Links und Rechts. 2 Orejas! Pablo Mora bekam 1 Ohr. Ángel Téllez ebenfalls, um das Zeite beraubte ihn der Präsident. Aber was für ein Detail: Das Publikum trug beide, Ochoa und Téllez auf den Schultern hinaus. Wie in den guten alten 50ern...
Schnell in die Metro und zurück nach "Sevilla": im "La Taurina" einen Tisch bekommen. Parrillada de Gambas y Langostinos, Cordero Asado, postre y café. Schnell in´s Hotel kurz frisch machen, umziehen und wieder nach Las Ventas.
Hatte mir erstmals eine Barrera Sol , Tendido 6 gekauft und bin begeistert. Überhaupt ist das 6 vom Preis unschlagbar, man sieht gut und im Herbst macht das bißchen Sonne auch nichts aus.
Es war eh stark bewölkt. Ich nehme Platz, und keine Minute später setzt sich der Matador Marc Serrano aus Nimes neben mich und begrüßt mich. Nachdem ich ihm sage, daß ich bei seiner Alternativa in Nimes im Jahr 2000 (Toros de Celestino Cuadri, Padrino "El Zotoluco", Testigo José Luís Moreno) in der Plaza war, sind wir schon beinahe Freunde... Er sieht blendend aus, ist sehr freundlich, zündet sich eine Cohiba an und widmet sich ausgiebig WhattsApp.
Nun ja, was dann folgte kann ich schwer in Worte fassen. Ok, ich war gut gelaunt nach der tollen Novillada, dem Essen, mit einem Matador neben mir. Irgendwie lief mir diese Corrida dermaßen "rein", wie selten eine. Ich habe jede Sekunde genossen und bewusst genossen.
(Oft habe ich wirklich das Problem, daß ich mich nicht gut konzentrieren kann. Ich schweife während der Corrida oft in Gedanken ab. Das Hinschauen strengt mich an, meine Augen werden schnell müde. Seltsam. Ich denke, es ist diese große Vorfreude, die Aufregung und wenn es dann so weit ist, dann bin ich schon irgenwie erschöpft. Ich werde einen Psychologen konsultieren).
Adolfo Martin Stiere. Rafaelíllo, Fernando Robleño, Paco Ureña.
Die Stiere: mörderisch! Groß und krass...
Rafaelíllo: mit seinen ca. 1,65 einfach gigantisch. Mehr Cojónes kann man nicht haben. Einfach großartig.
Robleño: mit ihm werde ich nicht warm, aber er war wirklich gut, mit den 2 schwächsten Toros.
Paco Ureña: Nachdem er in San Isidro, einen DER Stiere des Jahres nicht verstanden hatte. Ich war in der Arena und wirklich wütend und enttäuscht, wie er einem Stier, der aus ca. 20 Metern angaloppierte und große, lange Wendungen machte, nach der 2. Serie plötzlich aus ca. 1 Meter das Tuch vor die Schnauze hielt. Das war´s, der Stier machte 2 kurze Wendungen und war hinüber und lustlos. Mannmannmann...
Am vergangenen Sonntag kämpfte Ureña wie ein Löwe. Mutig, korrekt und...ja, entspannt. Sein erster Stier sah aus, wie direkt aus einer Goyaradierung entsprungen. Ureña versuchte, ihn Recibiendo zu töten, was ihm leider nicht gelang. Mit dem Zweiten gelang ihm plötzlich eine wundervolle Serie Naturales. Das komplette Tendido 7 applaudierte geschlossen. Die Fundamentalisten standen auf ihren Plätzen. Und in diesem Augenblick der Versöhnung mit dem schwierigsten und anspruchsvollsten Publikum der Welt, kamen Paco die Tränen. Und mir auch.
Das war ein grandioser Moment. Hier wurde klar, daß der Matador vor dem "Siebener" seit Monaten mehr Angst hatte, als vor dem brutalen Stier.
Das "Siete" gibt Standing Ovations, und "El Ronco" (der immer einen grünen Pulli anhat und empört in die Arena brüllt), steigt in die erste Reihe hinunter, um Ureña zu applaudieren. Díos mío...! Die zweite Estocada misslang ihm gewaltig, keine Orejas (und er hätte 1 und 1 verdient).
Aber eine Vuelta que sabe a gloria!
Ich war selten so befriedigt und glücklich nach einer Corrida und verließ die Plaza absolut selig. Was für ein seltener Moment im Leben.
Im Patio del Desolladero traf ich dann noch Anya und Gonzalito.

Que trade de toros inolvidable!