Dienstag, 13. September 2011

Abhängen

Die Stunde, bevor die Corrida beginnt ist die allerschönste. In diesen Minuten ist alles möglich. Das Cartel ist bekannt, die Erwartungen hoch (oder auch nicht), die Eintrittskarte im Geldbeutel und es verbleiben noch ca. 60 Minuten, bevor es losgeht.
"Abhängen" ist angesagt. Vor der Plaza wird es immer voller, mehr und mehr Menschen strömen zum Ort des Geschehens. Es duftet nach Parfum und Zigarrenrauch. Schwarzhändler versuchen ihre Tickets loszuwerden. Marktgeschrei der Zigarren-, Nüsse- und Getränkehändler. Ich genieße dieses Spektakel und kann jedem nur empfehlen, sich 1 Stunde vor Beginn einer Corrida vor der Plaza de Toros einzufinden - auch wenn man dem Stierkampf nicht wohlgesonnen sein sollte.
Das Ambiente ist überall ähnlich, dennoch hat die Umgebung jeder Plaza ihren eigenen Charme. Ich liebe den Platz um die Malagueta, den vielbefahrenen Paseo de Reding, den Schatten unter den Bäumen und die wunderbare Bar Flor, die zur Feria im August aus allen Nähten platzt. Camareros brüllen die Bestellungen hinter die Theke, die Kaffeemaschine droht zu explodieren, Eiswürfell fallen in Gin Tonics, die Schlange vor der Toilette nimmt kein Ende. Wie oft stand ich dort, in illusterster Runde mit Neville, Lenny, Pieter, Lars und vielen anderen nichtspanischen Aficionados, die sich unverabredet selstverständlich jedes Jahr dort treffen.
In Sevilla brennt die Sonne hart auf den Paseo de Colón, die Qualiät der Anzüge, Kostüme, Mantillas und des Parfums ist unerreichbar!
Vor Las Ventas in Madrid finde ich den Platz zu groß, man kann nicht einfach mal um die Arena laufen, das dauert schon mal 15 Minuten. Vor dem Denkmal für El Yiyo treffen sich die meisten Aficionados. Und man trifft sich immer, egal wie voll es ist.
Ähnlich ist es in Nimes - ein gigantischer Platz, Chaos und Gewusel.
Mein liebster "Abhängeplatz" ist der Paseo de la Marina in Barcelona. Abschüssig zum Meer, läuft man an der Monumental vorbei. Oben 2 Bars, beide seit Jahren fest in chinesischer Hand. Die Betreiber haben natürlich überhaupt keinen blassen Schimmer von den Toros. Doch ich bin mir sicher, daß sie irgenwo im Hinterzimmer einen mit Duftstäbchen gespickten Schrein mit einem goldgewandeten Gott anbeten. Er heißt José Tomás! Bei jedem seiner Auftritte machen sie das Jahesgeschäft. Kein Mensch trinkt sein Bier in diesen Bars, außer JT steht auf dem Programm. Der Service ist ausgezeichnet, das muß man den Chinos lassen. Das Estella kommt in Sekunden über die Theke. Ich trinke vor der Corrida nie ein Bier, rauche nur hektisch 5-10 Kippen und genieße das Ambiente. Man kann sich auf diesen 200 Metern zwischen den Chinobars und der Puerta Grande nicht verpassen. Es gibt für mich keine schönere Stunde, als die vor der Monumental. Ich werde sie am 24.9. ganz besonders genießen (si el tiempo no lo impide!). Am Samstag ist noch alles "normal". Eine Corrida in der Monumental.
Am Sonntag...ich weiß es nicht...wie soll man damit umgehen, wenn einem von der Politik sein liebster Platz und Moment entrissen wird?
Ich weiß es noch ganz genau: August 1982 (ich bin 6 Jahre alt), das Taxi hält vor der Monumental und ich steige mit meinem Vater aus. Mittenrein in´s Gewimmel. Auf dem Cartel Toros de Atanasio Fernández für die Matadores "Paquirri" (que en paz descanse), Ruíz Miguel, Luís Francisco Esplá. Los tres Pacos. Seitdem habe ich 180 Corridas gesehen, mein Vater ist 1989 verstorben und am 25.9.2011 werde ich zum letzten mal die Monumental betreten. 2 Taschentücher nehme ich mit: 1 Für die Orejas, 1 für meine Tränen.
Te amo Monumental!

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