Sonntag, 10. Juli 2016

Un toro mata a Víctor Barrio

Nun ist es also passiert: seit 1985 ist erstmals wieder ein Matador in einer spanischen Plaza de Toros von einem Stier getötet worden!
Die Feria de Teruel ist klein aber fein  und in den letzten Jahren habe ich die Cartels immer wieder mit Interesse verfolgt. Auch gestern Abend warf ich um kurz vor 19:00 einen Blick auf aplausos.es und sah die interessante Corrida, die gleich losgehen sollte: Toros de Los Manos y Ana Romero für Curro Díaz, Morenito de Aranda und Víctor Barrio.
Ich war zum Essen verabredet und verließ das Haus - war besonders gespannt, wie viele Zuschauer dieses Cartel anlocken würde. Keine Figuras, aber sehr gute Toreros.
Als ich 2 Stunden später nach Hause kam und in´s Internet schaute, war ich wie vom Donner gerührt:
"Un toro mata a Víctor Barrio"
Diese Schlagzeile war und ist für mich bis jetzt komplett surreal! Es ist tatsächlich passiert - nach 31 Jahren.
Ich erinnere mich noch, als ich als kleiner Junge mit meinen Eltern von Conil de la Frontera, unserer Lieblingsdestination am 31.8.1985 mit dem Mietwagen einen Ausflug nach Sevilla machte. Wir liefen durch die Calle Sierpes und mir fielen im Vorbeilaufen die Schlagzeilen in den Kiosken auf: "Un toro mata al Yiyo"! Am Vorabend hatte der Toro "Burlero" aus der Zucht von Marcos Núnez den 21-jährigen José Cubero "El Yiyo" in der Plaza von Colmenar Viejo getötet. Die ABC vom jenem Tag habe ich noch.
Ich kannte El Yiyo aus den Aplausos, die mir mein Vater jeden Sommer im Urlaub kaufte und war sehr betroffen. Am Abend traf sich das ganze Hotel in der Lobby, um in den Nachrichten die Amateuraufnahmen der Cornada zu sehen. Kellner, Deutsche und Spanische Hotelgäste, der Hotelchef, alle waren schockiert...
Seitdem frage ich mich vor jeder Temporada zumindest kurz: wird es dieses Jahr ein tödliches Opfer geben..?
Jedes Jahr gibt es schwere Verletzungen, 1992 wurden gleich 2 Banderilleros getötet. Man erinnert sich mit Grauen an Aparicios entsetzliche Cornada und an die Fürchterliche von Padílla. Erst vor wenigen Tagen wurde Manuel Escribano beinahe von einem Stier getötet. El Pana starb vor einem Monat in Mexiko an den Folgen einer Cogida.
Die Cornada von Víctor Barrio gestern, war der von El Yiyo sehr ähnlich und absolut tödlich. Kein Arzt der Welt kann einen retten. Víctor Barrio starb im Sand von Teruel. Man sieht es auf den schlimmen Aufnahmen und die Banderilleros, die ihn hochhoben, um ihn in die Enfermería zu bringen sagten, daß sie gleich merkten, daß er tot war. Der Matador lag im Sand und der Stier bohrte das Horn seitlich durch den Brustkorb, direkt in´s Herz. Ähnlich, wie auch die brachiale Cornada von Manolo Montoliú 1992 in Sevilla: eine absolut tödliche Verletzung.
Letztlich ist Víctor Barrio der erste tote Matador unserer "modernen Zeit" der Smartphones, des Internet und Twitter. Die Corrida kam live im Fernsehen und die Nachricht ging in Sekunden um die Welt. Toreros, wie Juli, Perera und Roca Rey, die gestern gemeinsam auftraten, machten keine salida en hombros, aus Respekt vor dem toten Kollegen. Gestern Abend sah ich bereits die tödliche Cornada im Netz... Ich habe schlecht geschlafen und bin immer wieder wach geworden, mit dem Satz, der mich seit meiner Kindheit begleitet: "Un toro mata a..." Víctor Barrio. Ist es wahr? Ist das gestern wirklich passiert? Ja, es ist wahr.
Ich habe ihn zweimal in Madrid gesehen: Einmal als Novillero und einmal als Matador. Seine Frau, sein Vater und viele Anhänger waren gestern in Teruel, um ihren Matador bei einem seiner wenigen Auftritte (der Dritte der Saison) zu unterstützen.
Víctor Barrio que descanse en paz... Mi más sendtido pésame a su familia y a sus queridos!



(Eine Fußnote, die eigentlich keine sein möchte bzw. schon gar nicht ein eigener Eintrag:
Der gestrige Tod von Víctor Barrio hat auf sämtlichen Internetkanälen (FB, YouTube, Twitter etc.) wieder einmal das Übelste, Ekelerregendste und Schockierendste der Menschheit herausgekehrt: unzählige Schmähungen, Beifallsbekundungen und Unaussprechliches, nicht wiederholbares - das gebietet der Anstand. Diese Individuen, die sich "Tierschützer" nennen haben den selben Duktus, wie die schlimmsten Nazischergen: Du bist anders, als ich - ich hasse dich und will dich tot sehen. Ich will dich und deine ganze Familie vernichten, weil ich hasse, was du tust. Hier manifestiert sich auf´s Übelste, welch Geistes Kind diese faschistoiden Fanatiker sind. Es ist widerlich und schändlich und entlarvt immerhin diese Personen, als das, was sie sind: menschenverachtende, totalitäre Faschisten, die keine Sekunde zögern würden, jemanden der "ihrer Sache" im Weg ist, zu töten).

Dienstag, 17. Mai 2016

Und wieder Madrid

Nach einem halben Jahr Pause, ging es letzte Woche wieder in mein geliebtes Madrid diesmal zur Feria de San Isidro vom 9. - 14. Mai.
Letztes Jahr hatte ich mir diesem Lebenstraum erstmals erfüllt und sah einige eher durchwachsene Corridas.
Am Montag ging es bei schönstem Sonnenschein und Frühlingswetter vom Flughafen München los. Drei Stunden später saß ich im Taxi von Barajas in´s Zentrum und die Scheibenwischer liefen auf höchster Stufe! Tiefhängende Wolken, 10°C und prasselnder Regen, die Puerta del Sol mit riesigen Wasserlachen... Der Wetterbericht hatte zwar vor so etwas gewarnt, aber ich hatte es nicht so ganz ernst genommen.
Nun gut, Mittagessen in der La Taurina - am ersten Tag und mit etwas Zeitdruck immer eine sichere Sache. Der Regen ließ nach und so konnte die Novillada stattfinden. Kurioserweise war diese Novillada ein Hauptgrund für mich diesen Termin für die Reise zu wählen :Álvaro Lorenzo, Ginés Marín und "Varea" präsentierten sich in LasVentas gerade mal eine Woche vor ihrer jeweiligen Alternativa in Les Arénes de Nimes. Stiere von El Parralejo, einer sehr interessanten Zucht, die in den letzten Jahren ein ziemlicher Garant für Erfolg waren.
Natürlich kam es alles ganz anders, ein fürchterlich invalides Encierro! Eine Vuelta für Lorenzo. Ein sehr blasser und grüner Marín. "Varea" war absolut motiviert, erwischte aber einen miserablen Stier, beim nächsten dann die Porta Gayola aber der Toros wurde ausgewechselt. Der Sobrero verlor bald jegliche Kraft und der arme "Varea" ging als unbeschriebenes Blatt von dannen. Ich hätte gerne mehr von ihm gesehen.
Der Dienstag fiel leider buchstäblich in´s Wasser, die Corrida wurde um 19.10 abgesagt. Hier ein riesiges Kompliment an die Taquílla von Las Ventas: tausende Zuschauer bildeten eine Schlange, um ihre Entradas zurückzugeben. Wartezeit lediglich ca. 20 Minuten. Das Bargeld wurde im Sekundentakt dem werten Publikum zurückerstattet.
Etwas frustriert ging es zurück in´s Zentrum und als kleine Entschädigung gab es einen phantastischen Rabo de Toro, geschmorten Ochsenschwanz im wunderbaren Restaurant "Los Madroños", etwa 200m von der Plaza Mayor und ca. 100m vom berühmten "Botín" entfernt.

Am nächsten Tag dann eine interessante Corrida mit Escribano, der in Sevilla einen "Victorino" begnadigt hat. In Madrid leider ohne Glück. Einem ganz schwachen Fandiño und einem grandiosen Paco Ureña! Seit Oktober, einer meiner Lieblingsmatadore. Ein absolut sympathischer und schüchterner Kerl mit einem weichen Herz. Das Ohr des ersten Stiers war schon seines, doch dann gab es natürlich einen Pinchazo. Im zweiten Stier, im strömenden Regen eine atemberaubende Faena. So viel Emotion für den Zuschauer, so viel Präzision und Gefühl beim Matador. Oreja de Ley!
Fandiño wird leider zum tragischen Fall. Vom Glanz der letzten Temporadas ist nicht mehr viel übrig.
Am nächsten Tag gab es für mich eine Premiere: ein Matador versetzte mich in ungekannte Rage! Ich habe El Capea nie besonders gemocht. Ohne jegliche Persönlichkeit, absolut mittelmäßig, doch dank seines Vaters El Niño de la Capea, einer der Besten der 70er und 80er, immer gut protegiert.
In seinem ersten, sehr unangenehmen und gefährlichen Stier war er überfordert. Ein linkisches Macheteo (hier zeigt sich die Qualität eines Morante, der dies, auch unter Pfiffen sehr elegant und mit Solera meistert), ein paar Pinchazos y Pitos.
Ok, das kann passieren... Doch was dann folgte, war für mich der Gipfel. Ein ganz junger Gonzalo Caballero in seiner ersten Corrida des Jahres, ohne weitere Kontrakte erlitt eine schwere Cornada in den linken Oberschenkel. Er zitierte den Toro mutig de frente, der griff an und bohrte das Horn absolut präzise in das Bein des Matadors. Blut strömte aus der Wunde, die Banderilleros wollten Gonzalo raustragen, doch der wehrte sich nach Kräften. Torniquete (also die Wunde mit der Krawatte abgebunden) des Banderilleros, Morenito de Aranda immer in seiner Nähe redete auf ihn ein. Als er den Kampf fortsetzte, war Morenito mit der Capa im Ruedo, zusammen mit seinen Banderilleros.
Und wer nicht? El Capea, eigentlich als Älterster der Director de lidia, stand im Burladero, ohne Capote und redete mit seiner Cuadrilla. Eine absolute Unverschämtheit. Teilnahms- und emotionslos.
Ich saß in der zweiten Reihe, etwa 2 Meter von ihm entfernt und rief, ohne lange nachzudenken:
"Capea, el director de lidia sin capote en sus manos, mientras está toreando un chaval herido. Que malo compañero eres!!!" Er hörte das sehr genau. Aus dem Tendido folgten weitere Rufe.
Gonzalo Caballero tötete den Stier und ging in die Enfermería. Capea musste nun den letzten Stier der Corrida töten und da folgte nun das komplette Desaster. Übermannt von seiner Angst und Unfähigkeit, brachte er keinerlei Faena zustande. Eine Media Estocada ohne Effekt, Aviso und Capea macht gar nichts. Keine Anstalten eine neue Estocada zu versuchen, oder den Degen herauszuziehen. Dies tat dann ein Baderillero mit der Hand aus einem Burladero. Jose Antonio del Moral, den ich über alles schätze, schieb, daß er so etwas noch nie gesehen habe. Escandaloso! Beim Verlassen der Plaza eine monumentale Bronca, auch ich warf mein Sitzkissen, zeigte wild gestikulierend Richtung Ausgang und brüllte: "No vuelvas más! No vuelvas mááás!!" Puh, keine Ahnung, was da in mich gefahren war. Es musste wohl einfach mal raus...
Vor lauter Ärger vergesse ich beinahe die hervorragende Faena von Morenito zu erwähnen. Wirklich hervorragend, obwohl der Stier mehr hergegeben hätte! Da muss man schon beide Ohren bekommen. Immerhin eine weitere Oreja de Ley.
Der Freitag dann endlich mit Sonnenschein und "No hay billetes". Tendido alto im 5 (Sol), ein ordentlicher Platz mit einem sehr netten Sitznachbarn. (Die Tage davor hatte ich mir Barreras im 6 und 2a Barrera gegönnt). Das Tendido Alto bei einem soliden Reventador für 50€, anstatt 19€ gekauft. Kann man schon mal machen. Roca Reys Confirmación, Padrino Sebastián Castella und Testigo Alejandro Talavante. Castella ist schon klasse und hat viel echten Torero Stil. Roca Rey machte er erst einmal mit einem großartigen Quite in seinem Confirmationstier nass. Ein guter Padrino, der dem Jungen aber ganz klar sagt: das hier ist mein Revier und wir sind ab jetzt Konkurrenten.
Roca Rey begann die Faena á la Castella mit mehreren Pases cambiados, mitten im Ruedo. Das Publikum war sehr kühl und das "7" aggressiv. Nada.
Castella wieder klasse, begann seine Faena eben nicht mit dem Cambiado, wie es jeder erwartet hätte, sondern im Tercio mit 6 tollen Pases estatuarios. Das hat einfach Stil! Er wird nie mein Torero sein, aber ich mag seine Vergüenza Torera und seinen Ethos.
Dann passierte bis zum vierten Stier nicht viel und ich befürchtete schon die vielzitierte Tarde de expectación, tarde de decepción. Doch dann kam ein riesiger, hoher, heller Núñez del Cuvíllo Stier, mit sehr langen Beinen - Talavantes zweiter. Der erwischte den armen Juan José Trujillo zweimal, ohne ihn zu verletzen. Eine furchtbare embestida descompuesta y brusca. Den Kopf immer hin- und herwackelnd, keine gerade Linie. So ging das bestimmt 5 Minuten, nadie daba un duro...
Dann ein halbwegs gelungener Natural aus dem Nichts. Noch einer, noch ein Besserer. Und ja, das ist Madrid: plötzlich ein ohrenbetäubendes Óle!!! Und noch eine Serie, und noch eine. Borrachera de alegría. Die waren nicht perfekt, die Naturales, wie sollten sie auch? Aber Talavante hatte jeden einzelnen dem Stier abgerungen und seinen Angriff korrigiert. Fulminante Estocada, die mich an JTs Letzte in Barcelona 2011 erinnerte. Bam! Und der Stier bricht nach 10 Sekunden spektakulär zusammen. Großartig und eine Oreja aus Granit und purem Gold.
Dann folgte Roca Reys zweiter Toro, aus dem er alles herausholte. Immer spektakulär, nie sauber aber mit enormem Wissen und Können. Und das mit 19, ca. 8 Monate nach der Alternativa. Ebenfalls eine spektakuläre Estocada al encuentro y 2 Orejas! Was für ein Torero...
Mein Nachbar klopfte mir immer wieder herzlich auf die Schulter und sagte: "Me algro tanto por usted!". Ich freue mich so für Sie!
Das war mein kleines San Isidro (4 von 30 Corridas) und Si Díos quiera, erwarten mich im Sommer Málaga und Bilbao. Vamos a ver.